Interview mit Bernhard Thiel – Teil 2

Es ist wieder etwas Zeit vergangen seit dem 1. Teil, doch wer sich die Antworten auf die ersten drei Fragen nochmal durchlesen möchte, kann es hier tun.
Heute gibt es zwei weitere Fragen an Berni mit sehr ausführlichen und interessanten Antworten.

4. Frage:
Wie wir wissen, hast du dutzende großartige Erfolge erreicht. Besonders im Seniorenbereich konntest du ja mit mittlerweile schon dutzenden Deutschen Meistertiteln sowie einem WM-Titel und der ein oder anderen WM und EM-Medaille, kräftig abräumen. Doch auch in der allgemeinen Klasse wirst du sicherlich den einen oder anderen Erfolg gefeiert haben.
Welches sind für dich die bzw. der größte Erfolg/e deiner Karriere?

Berni:
Vom Herzen her bin ich eigentlich ein Teamplayer, doch will ich nicht verhehlen, dass mir auch Einzelerfolge schmecken.
Ganz oben auf der Skala steht natürlich der DDR-Einzelmeistertitel 1983 in Neubrandenburg, wo Siggi (Lemke) so nett war, mir den Vortritt zu lassen. Mehr konnte man in der DDR im Tischtennis nicht erreichen!

Ein Livemitschnitt des Kommentars zum Finale 1983

Meinem langjährigen Freund Peter Mundo (Rostock-Süd) gelang es 1983, über eine gute „Westbeziehung“ ein schnelles „Ultra“ Holz für mich zu organisieren.
Er schenkte es mir mit den Worten: „Mit dem Holz wirst du Meister!“
Und es trat auch prompt ein. Ein Jahr später war ich sportlich eigentlich stärker. Eine Woche vor den Einzelmeisterschaften (im damals heimischen Zwickau) zerbrach ich mir im Spiel gegen den Tschechen Broda bei den internationalen polnischen TT-Meisterschaften, leider meinen Schläger (Ultraholz!) und die Titelverteidigung war passé. ☹
Eine besondere Leistung, an die ich mich gern erinnere, erbrachte ich 1970 beim „Altenburger Weuzel-Pokal-Turnier. Hier traf sich die gesamte DDR-Spitze und mir gelang als Jugendmeister mit 16 Jahren im Viertelfinale ein 3:2 Erfolg gegen die DDR-Legende Heinz Schneider! Das war Gänsehaut pur!


5. Frage:
Was sicherlich immer noch nicht alle in unserem Verein wissen ist das du einen (nicht nur) im Tischtennis sehr erfolgreichen Sohn hast, der viele Jahre 2. Bundesliga gespielt hat und aktuell in der Regionalliga aufschlägt. Wir reden hier von Sebastian Borchardt.
War es für dich und deine Frau Heike, die ja ebenfalls eine erfolgreiche Tischtennisspielerin ist, schon immer klar, dass euer Sohn Tischtennisspieler wird? Und wie hast du seine Entwicklung begleitet?
Der ein oder andere Sportsfreund von uns wird sich sicher interessieren, wie man es als TT-faszinierter Vater schafft seinem Kind die Liebe zum wunderbaren TT-Sport und eventuell sogar zum Leistungssport zu vermitteln. 

Berni:
Nach der Wende (ab Sommer 1991) arbeitete ich in Berlin-Hellersdorf als Sozialpädagoge und Erzieher in einer kommunalen Jugendfreizeiteinrichtung („Villa Pelikan“) in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Nicht von Nachteil war, dass Sebastians Schule und Elternhaus in der Nähe der Villa Pelikan lagen. Hier traf er sich nach der Schule mit seinen Freunden. Die Villa bot kostenfrei, bei kompetenter Betreuung, ein Komplettangebot der Freizeitgestaltung und war ein Magnet zahlreicher Hellersdorfer Kids und darüber hinaus. So konnte sich der inzwischen 7-jährige Sebastian unvoreingenommen vielfältig ausprobieren und Neigungen entwickeln. Sport, Spiel, Computerraum und Kochküche wurden seine Favoriten.
Besonders reizvoll für ihn war jedoch der kleine Saal mit den zwei TT-Tischen, die sein Papa mit Überredungskunst für die Kinder „organisierte“. Es erforderte auch viel organisatorisches Geschick, den wachsenden Bedarf am „Pingpong“ zu decken. Suchte man Sebastian, fand man ihn mit Sicherheit aktiv beim TT im Saal.
Schlägerbauprojekte mit der Holzwerkstatt des Hauses – ich besorgte Kleber und gute „abgespielte“ Beläge – fanden große Resonanz und erhöhten die qualitative Basis.
Viele spätere Vereinsspieler, neben Basti z.b. auch Bilegt Ayush (beide waren bereits als Jugendliche im Berliner Männerbereich sehr erfolgreich), machten ihre ersten TT-Schritte in diesem kleinen TT-Saal der Villa Pelikan.
Nun wurde Tischtennis für Sebastian zum Lebensinhalt. Heike und ich ebneten, nach anfänglicher „vornehmer“ Zurückhaltung, aktiv begleitend seinen sportlichen Weg. So ging Heike mit ihm zur Berliner TT-Talente Sichtung, kam aber mit einem negativen Bewertungsprotokoll und einem traurigen Basti zurück.
Als Fazit war zu lesen; dass „Ihr Kind auf Grund zu großer Defizite leider nicht förderungswürdig sei“!
Darauf folgte ein kurzes Gespräch innerhalb der Familie. „Glaubst Du Papa, wenn er Dir sagt, dass Du talentiert bist?“ Er antwortete mit einem etwas zaghaften „Ja“. „Wollen wir´s dem Verband zeigen, dass er sich irrt?“
Sein „Ja“ klang jetzt schon dominanter. „Dann liegt es nur an Dir! Papas und Mamas Unterstützung hast Du, aber die schulischen Leistungen müssen stimmen!“
Seine Tränen verschwanden und seine Augen finden an zu leuchten – er war ein guter Schüler.
Wir kauften einen TT-Roboter und ich wechselte von Tennis Borussia – hier hatte ich ganz passable Ergebnisse in der 2. Bundesliga und Regionalliga erzielen können – zu Violetta Marzahn in die 2. Kreisliga, um Sebastian bei seiner sportlichen Entwicklung besser helfen zu können.
Er verbesserte sein Leistungsvermögen zusehends.
Mit 9 Jahren gewann er das Berliner Tischtennisturnier der Tausende und wurden dann später kontinuierlich Berliner- und Norddeutscher Meister in allen Altersklassen.

Jeweils 2x spielte er im Schüler und Jugendbereich das Top12-Turnier von Deutschland.
Leider hatte Sebastian keine Lobby! Der ehrgeizige Junge aus dem Osten Berlins wurde immer vergessen, wenn sich die „Talente“ im Bundesleistungsnachwuchs-Zentrum in Heidelberg trafen. ☹
Hätte man die menschliche Größe besessen und ihm die Möglichkeit eingeräumt auch mal „Heidelberger TT-Luft“ zu schnuppern, ich glaube er wäre vor Freude hin gejoggt.
Dass Basti nicht ganz untalentiert gewesen ist, zeigen seine Erfolge im Norddeutschen Raum und vor allem seine insgesamt drei Medaillen im Doppel bei Deutschen Einzelmeisterschaften der Herren.
Zurzeit gehört er immer noch zu den besten norddeutschen Tischtennisspielern, obwohl seine Trainingsstunden in den letzten Jahren sehr moderat geworden sind.

Er konzentriert sich inzwischen – zur Freude seiner Eltern – mit viel Engagement auf seine Familie (inklusive unserer drei Enkel), das Haus und den Beruf. Auch hier scheint er nicht ganz talentlos zu sein. 😉  

Das war es nun mit dem 2. Teil. Teil drei wird auf jeden Fall folgen. 🙂
Seid gespannt. 😉